Viele Frauen zwischen 18 und 44 Jahren konsumieren Alkohol oder andere Suchtmittel. Welche Empfehlungen können aus den Konsumprävalenzen abgeleitet werden und was ist besonders zu beachten? Es ist angesichts des Tabuthemas schwierig, solide Daten über den Konsum psychoaktiver Substanzen bei schwangeren Frauen zu erheben.
Einige Hinweise zum Konsum psychoaktiver Substanzen bei Frauen im gebärfähigen Alter (15 bis 44 Jahre) liefern das Suchtmonitoring Schweiz (2017) und Zahlen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2017 (Bundesamt für Statistik, 2019). Daten zum Konsum schwangerer oder stillender Frauen (18 bis 44 Jahre) stammen aus dem Suchtmonitoring 2011 bis 2016 (Gmel & Notari, 2018).
Alkoholkonsum
Prävalenz
Betrachtet man die Frauen im gebärfähigen Alter in der Schweiz, so ergibt sich folgendes Bild:
Fast die Hälfte der 25- bis 44-Jährigen trinkt regelmässig Alkohol (d.h. mindestens ein bis zwei Mal pro Woche). Auch punktueller Risikokonsum (mehr als vier Standardgetränke pro Gelegenheit) kommt relativ häufig vor, besonders in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen, in der eine von zehn Frauen einmal im Monat oder häufiger viel Alkohol auf einmal trinkt. In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen trinken weniger Frauen regelmässig (39 %), aber fast ein Viertel der 15- bis 24-jährigen Frauen trinkt einmal oder häufiger im Monat punktuell viel Alkohol (mehr als 4 Standardgetränke pro Gelegenheit).
Zur Prävalenz des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft liegen kaum Daten vor. Befragt man schwangere oder stillende Frauen, die schon vor der Schwangerschaft getrunken haben, ist es meist die Altersgruppe der 29- bis 44-Jährigen, die mit Alkohol wenig vorsichtig umgeht. Diese Frauen trinken mit grösserer Wahrscheinlichkeit risikoreich, d. h. sie trinken regelmässig und/oder sie trinken punktuell viel.
In einer Studie, die 2005 im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) durchgeführt wurde, bei welcher der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft mittels nachträglicher Selbstdeklaration der Frauen ermittelt wurde, gaben 70 Prozent der Befragten an, dass sie nach Feststellen ihrer Schwangerschaft nie oder fast nie Alkohol getrunken haben. Von den Frauen, die kurze Zeit nach der Geburt befragt wurden, gaben 10 Prozent an, während der Schwangerschaft jeden Monat mindestens 2 bis 4 Mal Alkohol getrunken zu haben. Rund 2 Prozent der Frauen, die um ihre Schwangerschaft wussten, gaben an, mehrmals pro Woche getrunken zu haben.
Mehrere europäische Studien zeigen, dass der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft mit höherem Alter, höherem Studienabschluss und höherem Einkommen zunimmt. Der Konsum ist auch höher bei Frauen, die bereits mindestens ein Kind haben. Jüngere Frauen und Erstgebärende scheinen zu Beginn der Schwangerschaft häufiger punktuell risikoreich zu trinken, also Alkoholräusche zu haben. Nach Bekanntwerden der Schwangerschaft hört dieser Risikokonsum tendenziell auf.
Mehr Informationen zur Risikowahrnehmung schwangerer Frauen im Hinblick auf Alkoholkonsum.
Auswirkungen des Alkoholkonsums
- Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ist eine der wichtigsten vermeidbaren Ursachen für Geburtsfehler und Entwicklungsstörungen.
- Informationen dazu, wie Alkohol die Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigt, finden sich zum Beispiel auf der Website von Praxis Suchtmedizin oder unter Informationen über FASD
- Die pränatale Alkoholexposition ist mit einer Vielzahl von Risiken verbunden. Es handelt sich dabei um ein Spektrum von Störungen nach fetaler Alkoholexposition (Englisch: Fetal Alcohol Spectrum Disorder, FASD). Dazu zählt auch das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), die gravierendste Form von FASD. Eine Diagnose des FAS wird gestellt, wenn Gesichtsanomalien, Wachstumsstörungen und eine Schädigung oder Funktionsstörung des Zentral-Nervensystems vorliegen.
- Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 1 und 4 % aller Neugeborenen in Europa von FASD betroffen sind. In der Schweiz entspricht dies mindestens 1’700 Kindern pro Jahr (wobei manche Schätzungen von bis zu 4’000 ausgehen), von denen 170 bis 400 Kinder eine schwere Form (also FAS) aufweisen.
Gut zu wissen
Oft geht man davon aus, dass insbesondere sehr junge werdende Mütter punktuell zu viel trinken. Dabei sind es besonders Frauen der Altersgruppe von 29 bis 34 Jahren, bei denen das besonders häufig vorkommt. Eine von zehn Frauen dieser Altersgruppe trinkt risikoreich. Fachpersonen aus Gesundheitswesen, Sozialarbeit, Erziehung etc. sollten Frauen jeden Alters ansprechen. Auch über 30-Jährige sind sich der Risiken von Alkohol nicht genug bewusst.
Insbesondere junge Frauen sollten die Informationen und Empfehlungen idealerweise vor einer oft nicht geplanten Schwangerschaft erreichen. Hier geht es darum, Rauschtrinkepisoden zu vermeiden.
In den meisten Leitfäden von Berufen im Gesundheitswesen wird empfohlen, mit Frauen im gebärfähigen Alter so früh wie möglich über Aspekte der Gesundheitsförderung und auch systematisch über Tabak-, Alkohol- und evtl. anderen Drogenkonsum zu sprechen.
Wenn ein problematischer Konsum besteht, sollte auf mögliche Unterstützungsangebote hingewiesen werden und es sollten – solange der Konsum nicht reduziert wird – sichere Verhütungsmethoden empfohlen werden.
Wenn ein problematischer Alkoholkonsum nicht vor der Empfängnis festgestellt werden konnte resp. wenn er weiter besteht, liegt das Hauptziel darin, die Frau darin zu unterstützen, ihren Alkoholkonsum zu verringern oder ganz darauf zu verzichten.
Tabakkonsum
Prävalenz
In der Schweiz rauchen etwa 30 % der Frauen im Alter von 15 bis 34 Jahren. Von den schwangeren Frauen rauchen 6,8 % und fast eine von zehn Frauen, die rauchen, hört während der Schwangerschaft auf damit. Insgesamt sind es eher die etwas älteren Frauen, die mit dem Rauchen aufhörten, als sie erfuhren, dass sie schwanger waren. Vielleicht liegt es daran, dass es für sie schwieriger ist, überhaupt schwanger zu werden, und dass sie die Risiken vielleicht besser kennen.
Auswirkungen auf das Kind
Niedriges Geburtsgewicht, plötzlicher Kindstod sowie Verhaltensstörungen wie die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zählen zu den Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit des Kindes.
Gut zu wissen
Jede rauchende Frau im gebärfähigen Alter sollte beim Rauchstopp unterstützt werden. Besonderes Augenmerk sollte auf jüngere Frauen (18 bis 28 Jahre) gerichtet werden, die mit grösserer Wahrscheinlichkeit während der Schwangerschaft ihr Verhalten nicht anpassen und weiter rauchen. Nicht vergessen darf man Frauen, die den Rauchausstieg geschafft haben. Sie können darin unterstützt werden, Rückfälle zu vermeiden.
Empfohlen wird ein vollständiger Konsumausstieg, denn: Wenn man weniger Zigaretten raucht, wird man den Rauch tiefer inhalieren, um den gleichen Nikotingehalt zu erreichen. Man nimmt dabei auch viel Kohlenmonoxid und Teer auf. Eine wichtige Botschaft lautet: «Als Gesundheitsfachpersonen empfehlen wir schwangeren Frauen, mit dem Rauchen gänzlich aufzuhören. Es ist das Beste für Ihre eigene Gesundheit und die des Babys. Wir unterstützen Sie dabei.»
Auch die PartnerInnen können eine wichtige Rolle übernehmen. Sie sollten mehr über den Passivrauchschutz erfahren und sie können mit gutem Beispiel vorangehen und die Frauen so beim Rauchstopp unterstützen.
Illegale Drogen
Prävalenz
Weniger als 1 % aller Frauen konsumieren illegale Drogen (0,6 %), allerdings ist dieser Anteil bei jungen Menschen am grössten. Ein Beispiel: Von den Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren haben 6 % in den letzten 30 Tagen vor der Befragung Cannabis konsumiert.
In der Schweiz geben 1,9 % der Schwangeren an, Cannabis zu konsumieren. Angaben zu anderen illegalen Drogen fehlen. Europäische und kanadische Studien legen nahe, dass zwischen 0,2 und 5 % der schwangeren Frauen (auch) andere illegale Drogen als Cannabis konsumieren.
Auswirkungen auf das Neugeborene
Der Konsum von illegalen Drogen kann zu einer Wachstumsstörung des Fötus führen, die sich durch ein geringes Geburtsgewicht, eine kleine Statur und einen kleinen Kopfumfang äussert. Medizinische Komplikationen wie Frühgeburt und Infektionen sind häufig. Babys von Frauen mit chronischem Opioid-Konsum zeigen häufig das neonatale Entzugssyndrom. Auch Antidepressiva, Beruhigungsmittel, Alkohol und Tabak können dieses verursachen.
Gut zu wissen
Unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit der pränatalen Drogenexposition können auch mit anderen Faktoren zusammenhängen, wie z. B. dem sozioökonomischen Hintergrund, negativen Umwelteinflüssen oder unzureichender pränataler Versorgung. Zu den Herausforderungen für Fachpersonen zählen der Aufbau einer vertrauensvollen, nicht wertenden Beziehung und die Bereitschaft zur Flexibilität in Anbetracht der oft schwierigen Situation der Frauen, z. B. bei verspäteten oder versäumten Terminen. Es müssen Schritte unternommen werden, um verstärkt multidisziplinäre Unterstützung und Psychoedukation anzubieten (Informationen zu Auswirkungen von Substanzen auf Embryo und Fötus, Fragen zur Verhütung etc.).